Ramleela Mensch gewordene Gottheiten

Kultur

October 30, 2015

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Indien fur sie

Marz-April 2015



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Es ist nicht verwunderlich, dass die religiöse Hauptstadt Indiens, Varanasi, eine der schönsten Ramleelas des Landes beherbergt. Die Jahrhunderte alte Tradition hat unter den Menschen noch immer Bestand, trotz moderner Ablenkungen wie Fernsehen und Kinofilme.

Ram Ram!“ So begrüßen sich die Menschen zwischen den Hymnen, Gebeten und morgendlichen Bädern im Ganges. Die Priester weisen Anhänger in die Rituale ein, die im Schatten eines flachen Schirms aus Blättern durchgeführt werden. Besucher spazieren am Ufer entlang und nehmen die Schönheit der Rituale in sich auf. Ab und zu ziehen sie ihre Kameras hervor oder verhandeln mit den Bootsführern über die Preise. Auf den überfüllten Straßen wird das allseits bekannte Frühstück serviert, kachauri-sabzi-jalebi, und die Tempelbesucher tümmeln sich hier. So sieht ein gewöhnlicher Morgen in Varanasi aus.

Im nördlichen Staat von Uttar Pradesh, Kashi, gelangten Varanasi oder Banaras kürzlich auch zu Ruhm als Modis Anhängerschaft, als der Ministerpräsident Narendra Modi den letzten Wahlkampf in 2014 von hier aus ausgefochten hat. Die Stadt selbst allerdings braucht keine Empfehlung. Mark Twain, der bekannte Indien-Liebhaber, sagt einmal „Banaras ist älter als die Geschichte, älter als Tradition, sogar älter als Legenden, und sie sieht zweimal so alt aus wie alle Geschichten, Traditionen und Legenden zusammen.“ Oft als eine der ältesten Städte der Welt bezeichnet, ist Varanasi bekannt für die ghats, paan (Arekapalmenblätter), Straßen, bestickte Seide und das gemächliche Leben der Menschen. Die Tradition wird hier groß geschrieben. Gepflogenheiten beschreiben den Alltag der Menschen, die in der Stadt leben. Unter den vielen Traditionen, lockt die Inszenierung von Sagen aus der hinduistischen Mythologie, wie Ramayana, Ramleela, seit Jahren die begeisterten Leute an.

 

Der Vyas, oder auch Prompter genannt, flüstert den Text von hinten

Der Vyas, oder auch Prompter genannt, flüstert den Text von hinten

Ramleela aus Varanasi

„Ich hab kein einziges Ramleela in Ramnagar seit meiner Kindheit verpasst. Gestern erst war ich dort, um die zeremonielle Krönung Rams mit „ anzusehen. Es war eine großartige Vorführung. Ich rudere Besucher sogar her, damit sie es in dieser Saison sehen können“, sagt Chhedi Lal, ein Bootsführer, stolz. Die Ramleela Feierlichkeiten bilden einen wesentlichen Teil des kulturellen Lebens des hindusprachigen Gürtels von Indien. Es wird geglaubt, dass der große Heilige und Poet Tulsidas die Tradition der Ramleela, die Inszenierung der Geschichte von Gott Ram, im 16. Jahrhundert einführte. Die älteste Ramleela der Welt, die mehr als 450 Jahre alte Chitrakoot Ramleela, stammt ebenfalls aus Banaras. Ramcharitmanas, geschrieben von Tulsidas auf den ghats von Varanasi, formt noch immer die Basis für die heutigen Ramleela-Vorführungen. Der Kern der Ramcharitmanas ist eine dichterische Erzählung in der Sprache der Awadhi und erzählt die Geschehnisse der Sanskrit Geschichte Ramayana, die sich mit dem Gott Ram befasst. Ramleela dauert einen Monat lang und findet je nach Hindu Kalender im September oder Oktober statt.

Die Tradition der Ramleela in Ramnagar, einer Ortschaft im Varanasi Bezirk, in dem die königlichen Nachfahren der Narayan Dynastie leben, begann 1830 mit der Initiative des damaligen Königs, Maharadscha Udit Narayan Singh. Es wurde immer beliebter und erhielt wiederholend die Gunst der Könige des königlichen Hauses von Banaras. Ein Theater sollte im ganz großen Stil unter freiem Himmel gebaut werden, sodass die Zuschauerzahlen von tausenden bis zu einhunderttausend variieren konnten. Obwohl der fürstliche Staat Banaras sich mit dem Staat Uttar Pradesh vereinigte, blieb die Ramleela Tradition bestehen. Das Fest wird von der königlichen Familie finanziert und findet teilweise auf den Ländereien statt, die von der Regierung zur Verfügung gestellt werden. Noch heute nimmt der königliche Nachfahr Kunwar Anant Narayan Singh, sitzend auf einem Elefanten, an der 31-tägigen Ramleela teil. Die Bewohner Varanasis, die noch immer die königliche Familie verehren, fühlen sich durch seine Präsenz bei dem Fest geehrt.

Hunderte sadhus, auch Ramayanis genannt, kommen nach Ramnagar, um die Geschichten zu sehen und wiederzugeben. Dauerhafte Bühnenbilder werden gebaut, um die große Bedeutung der Geschichte für die Einheimischen zu verdeutlichen. Ashok Vatika, Janakpuri, Panchvati und Lanka beispielsweise bauen ihre gesamten Städte in riesige Ramila Flächen um. Das Publikum bewegt sich mit den Darstellern mit und bei jeder neuen Szene wechseln sie den Schauplatz. Das bewegliche Theater zieht sich sogar bis in die Stadt von Varanasi hinein für die Szene Bharat Milap, in der die Wiedervereinigung zweier Brüder, Ram und Bharat, aus Ramayana gezeigt wird. Die Stadt ist überfüllt von Menschen, die ihre Häuser und Arbeitsplätze verlassen, um einen Blick auf beides, die Inszenierung und die Königsfamilie, zu erhaschen. Um den nüchternen Eindruck der Ramleela zu bewahren, wird auf die Benutzung von elektrischem Licht, von Mikrofonen und Lautsprechern verzichtet, auch wenn die Anzahl der Zuschauer selten unter 10.000 liegt. Im Jahr 2008 hat die UNESCO, als ihr der Wert und das Potential auffielen, es in der Welt bekannt gemacht, indem sie es als immaterielles Kulturerbe der Menschheit auszeichnete. Während die Ramleela in Ramnagar hochgeschätzt wird, scheint es, als würde die Leitung des Ganzen langsam der Korruption erliegen und dabei dieses alte Kulturerbe zu ihrem persönlichen Vorteil missbrauchen. Die Menschen müssen verstehen, dass es um die Werte geht und nicht darum, es dazu zu nutzen, seinen eigenen Wünschen nachzugehen. Trotz allem verzaubert die traditionelle Vorstellung weiterhin zufällig vorbeikommende Passanten ebenso wie die treu ergebenen Besucher, die jedes Jahr wiederkehren, um das Vermächtnis der Vorfahren zu erleben.

 

Die jungen Darsteller der Götter Ram und Sita führen ihr Schauspiel in einer Nachbarschaft auf

Die jungen Darsteller der Götter Ram und Sita führen ihr Schauspiel in einer Nachbarschaft auf

In der Nachbarschaft

Im Gegensatz zu der Größe und dem Glanz Ramnagars, hält Ramleela in über 150 Nachbarregionen Varanasis mit seiner Schlichtheit dagegen. „Es ist die Hingabe, mit der die Menschen sich dem Gott Ram widmen, da sie Jahr für Jahr hier in diesen vollgestopften Ort kommen. Die Emotionen gehen tiefer als bei einem gewöhnlichen Film oder einer Theatervorstellung. Es geht nicht nur um die reine Unterhaltung, sondern hauptsächlich um Religion und Zugehörigkeit“, sagt Bachche Lal Mishra, der bereits seit 55 Jahren mit dieser darstellenden Kunst in Verbindung steht und Teil vieler anderer Theater in verschiedenen Orten Indiens gewesen ist. Während die große Fläche es verhindert, dass die Leute die Dialoge verstehen, erlauben die kleineren Plätze in der Nachbarschaft den Zuschauern einen näheren Blick auf die Ramleela. Auch hier wird die Ramleela nicht nur an einer Stelle vorgeführt, sondern bewegt sich mit jedem Ortswechsel des Manuskriptes mit. Diese Orte haben einen besonderen Stellenwert während dieses Monats des Festes. Sie sind die Abbildungen der Orte in Ramayana selbst und die Kinder, die die Svarups (Menschen, die Götter darstellen) spielen, wie Ram, Sita, Lakshman, Bharat und Shatrughan, werden behandelt als wenn sie tatsächlich die Götter während dieser Vorstellung verkörpern würden und daran glauben die Menschen auch. „Ramleela ist anders als andere Theaterstücke im Sinne der Widmung und Verkörperung Rams. Es hat mehr mit Respekt, Gebeten und der Religion zu tun, die Teil der Menschen in Varanasi sind“, erklärt Mishra. Durch die Kombination des Ortes und der Svarups, wird Ramleela zu der perfekten Darbietung der Ehrerweisung der Menschen. Zum Beispiel wird während der Inszenierung des Teiles, in dem Ram, Lakshman und Sita für 14 Jahre ins Exil gehen, der Pfad als Wald betrachtet und die Leute berühren die Füße der Svarups, als ob sie richtige Götter wären und bieten ihnen Prasad (eine Gabe für Gott, für gewöhnlich Essen, das später unter den Anhängern verteilt wird) an.

In den Nachbarorten beginnt Ramleela erst spät am Abend und dauert bis in die frühen Morgenstunden an. Heimische Komitees sind seit Jahren für die Organisation zuständig. Da die Tradition schon seit Jahren Bestand hat, wurden manche Bühnenbilder fest gebaut und installiert. Die Menschen aus der Umgebung kommen in Scharen, um die Darbietung aus ihren Fenstern heraus oder von den Balkonen herab, die ganze Nacht zu beobachten. Die Ramayanis, sitzen in einer Gruppe gegenüber der Bühne, um Gesänge der Ramcharitmanas vorzutragen, bevor die nächste Szene beginnt. Im Gegensatz zu Ramnagar, wird in den Nachbarorten oftmals von moderner Ausstattung wie Mikrofonen oder Lautsprechern Gebrauch gemacht. Der Vyas, dessen Rollen ähnlich dem eines Direktors ist, eröffnet den Akt. Jede Gruppe hat ihren eigenen Vyas der auch dafür verantwortlich ist, den Schauspielern von hinten ihre Text zu reichen.

Die fünf Hauptcharaktere, Ram, Sita, Lakshman, Bharat und Shatrugan, werden immer von jungen Brahmin Jungen zwischen acht und 14 Jahren gespielt. „Die Götter werden am besten von Kindern gespielt, da ihre Herzen rein sind“, sagt Mishra. Da die Vorstellung bis in die Nacht hinein andauert, werden auch die weiblichen Rollen von Jungen gespielt“, beantwortet Mishra die Frage warum keine Mädchen in der Ramleela mitspielen. Was die Ramleela in Varanasi unterscheidet ist das Make-Up der Charaktere. Die Gesichter der Hauptdarsteller sind mit Pailletten geschmückt, die mit selbstgemachtem Kleber angebracht wurden. Bhagwandas, die Make-Up-Artisten, die die Jungs seit nunmehr schon 50 Jahren in Götter verwandeln, geben an, dass es in dieser Hinsicht keinerlei Änderungen gibt. Der Gebrauch von dickem Kajal, um die Augen zu betonen und hervorzuheben, rote Farbe oder Lippenstift auf den Wangen, die unveränderten Kostüme und der Kopfschmuck machen das Bild der Darsteller aus. „Mit der Krone auf ihren Köpfen, verwandeln sich die Schauspieler in die wiedergeborenen Götter selbst“, sagt Mishra, der wegen seiner Weisheit und Verehrung des Gottes Ram, gerne den Charakter des Hanumans spielt.

Auch an Ramleela, wie auch an so vielen anderen Traditionen, bleibt von den Veränderungen der Zeit nicht verschont. Die Einführung moderner Gerätschaften wie Glühbirnen, Mikrofone und Lautsprecher hat die Bescheidenheit beeinflusst. Doch noch besorgniserregender ist die schlechter werdende Qualität der Schauspieler. „Mit den Jahren hat sich Hingebung und das Schauspielern verändert. Die Darsteller werden nicht mehr vernünftig ausgewählt und verstehen einen Großteil des Manuskriptes nicht“, sagt Mishra, entsetzt über die sich verschlechternde Leistung. Er gibt auch dem Zerfall der Sprachen die Schuld daran. „Und doch bleibt trotz der modernen Verlockungen, wie Fernsehen und Kinofilme, die Ramleela das Highlight des Monats während des Festes“, sagt Mishra mit Stolz in der Stimme.

Rampenlicht

Das Shree Ramleela Komitee Kashipura ist eines von 150 Komitees und begeistert seit Jahren die Leute mit der Darstellung des Lebens des Gottes Ram. Die Mitglieder des Komitees, die das ganze Jahr über in ihren Aufgabengebieten arbeiten, versammeln sich, um die Ramleela für ihren Ort zu organisieren. Sie sind für die Auswahl der Schauspieler verantwortlich, die dann jahrelang mit ihnen zusammenarbeiten wo auch immer sie gerade benötigt werden: Ramayanis, Vyas, Logistik oder Spenden, die von der Gemeinde eingesammelt werden. Die Mitglieder des Kommitees kommen hauptsächlich aus den Kasera Familien, die alle im Gerätegeschäft tätig sind. Der 19-jährige Jeetu Pandey spielt Ram seit fünf Jahren, der 14-jährige Aditya Pandey spielt Sita seit zwei Jahren und der 19-jährige Saurabh Pandey, der nun schon seit sechs Jahren Lakshman spielt, wurden alle von Bachche Lal Mishra angelernt, der bereits 55 Jahre Erfahrung damit hat und mittlerweile auch alle Rollen selbst gespielt hat. Während Jeetu, der zwei Jahre lang Sita gespielt hat, bevor er zum Ram gewählt wurde, nicht mehr so begeistert davon ist, die anstrengende Hauptrolle zu spielen, träumt Saurabh davon, Schauspieler zu werden und in eine Großstadt zu ziehen. Das Komitee bereitet sich darauf vor, im nächsten Jahre neue Schauspieler zu finden, die dann wiederum von den älteren Darstellern angelernt werden sollen.

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