Rafting auf dem Siang

Dossier

October 30, 2015

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Indien fur sie

Marz-April 2015



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Wildwasserrafting oder auch Flussrafting zählt mittlerweile als Sport in Indien, nicht nur unter auswärtigen Touristen, doch auch unter Indern, die Abenteuer auf Bergflüssen wie dem Siang in Arunachal Pradesh, suchen.

Viel Adrenalin, starke Stromschnellen, abgelegene Wildnis, spektakuläre Szenerie und Zeltlager sind die Hauptattraktionen entlang des 160km langen Flusslaufs von Tuting nach Pasighat, eine der sicher schwerstzugänglichen Regionen der Welt. Abgesehen vom Nervenkitzel des Abenteuers lässt sich noch ein weiteres faszinierendes Erlebnis dieses Streifzugs nennen, nämlich der Kontakt zu den Adi Stämmen, die in den abgelegenen Gegenden Arunachal Pradeshs leben.

Der heilige Vaterfluss Asiens, der Brahmaputra beginnt seine Reise in Tibet und fließt durch Indien nach Bangladesch und ist unter nicht weniger als zehn Namen bekannt. An seinem Ursprung, wo er gemächlich gen Osten über das tibetische Plateau fließt, heißt er Yarlung Zanbo. Sobald er die Ausläufer des Himalayas im Osten erreicht, verwandelt er sich in den unwirtlichen Tsangpo. Im nördlichen Arunachal wird der Namen des Flusses zu Chiang, die Einheimischen nennen ihn Siang, bevor er dann oberhalb der Stadt Pasighat zum Dihang wird. Als nächstes wird er an der Stelle, an der der Lohit in den heiligen Fluss mündet, zum Lali. Bis dahin ist der Wasserpegel dramatisch angestiegen. Die Länge des Flusses wird in Meilen gemessen, wenn er Assam als der mächtige Brahmaputra durchquert, einer wenigen männlichen Flüsse Indiens.

Oben: Die turbulente Abfahrt durch die gewaltigen Stromschnellen Unten: Ein unerwarteter Fang aus dem Gewässer des Siangs, schon bald gedünstet und fertig zum Abendessen

Oben: Die turbulente Abfahrt durch die gewaltigen Stromschnellen Unten: Ein unerwarteter Fang aus dem Gewässer des Siangs, schon bald gedünstet und fertig zum Abendessen

Um 6 Uhr wachte ich an einem grauen Morgen auf. Es hatte die ganze Nacht geregnet und alles war durchweicht. Während ich mich in einen eiskalten Neoprenanzug zwängte und eine durchnässte Jacke überzog, sehnte ich mich nach dem sonnigen Wetter, das wir zu Beginn unseres Abenteuers als selbstverständlich hingenommen hatten. Unsere Raftingführer hatten uns vorgewarnt, dass der heutige Tag eine echte Herausforderung werden würde, mit starken Stromschnellen, auf die wir treffen würden. Das nasse Wetter trübte die Stimmung unseres unerschrockenen Teams aus Raftern und Kajakfahrern. Alle waren ungewöhnlich ruhig, als wir unser Lager abbrachen und unsere durchweichten Zelte und die Ausrüstung verstauten.

Wirbelnder Dunst und leichter Regen gaben dem Prozedere einen unheilvollen Schein, während sich jedem die gleiche Frage stellte – wie angsteinflößend würden die heutigen extremen Stromschnellen sein?

Wir waren an Tag fünf eines unglaublichen Abenteuers angelangt und damit an einem der bekanntlich wildesten Flüsse Indiens. Die Siang ist im Grunde genommen eine Fortsetzung des berüchtigten Tsangpo Flusses in Tibet und bietet Raftingbegeisterten eine Gelegenheit, sich den Herausforderungen Indiens erstklassigstem Wildwasserlauf zu stellen. Unsere Rafting-Expedition führte uns durch ein Gebiet von 160km Länge, entlang des Siang von Tuting nach Pasighat in Indiens entlegenen Nordosten.

Wir stießen unsere schwerbeladenen Flöße vom Strand ab und verabschiedeten uns von unserem durchweichten Zeltlager in Ramsingh. Wir zurrten unsere Rettungswesten fest, zogen unsere Helme auf und paddelten hinaus in die Strömung. Während wir die Flöße vorwärts trieben, weigerte sich der Nieselregen nachzulassen. Doch als ich meinen Blick flussabwärts richtete und sah, dass der Fluss in einer Wand aus dicken grauen Wolken verschwand, hatte ich eine Vorahnung, dass uns direkt um die nächste Biegung echte Action erwartete. Wie wir uns der berühmten Stufe IV Stromschnelle näherten, die unter dem Namen „Moving Madness“ bekannt ist, explodierten große Regentropfen sobald sie mit dem Fluss in Berührung kamen. Inmitten dieses sintflutartigen Regens hielten wir oberhalb der Stromschnelle an, um den Führern die Gelegenheit zu geben, die beste Route durch das wilde Wasser zu finden.

Errichten der Zelte an einem ruhigen Strand am Abend vor der finalen wilden Etappe des Trips in Ponging

Errichten der Zelte an einem ruhigen Strand am Abend vor der finalen wilden Etappe des Trips in Ponging

Nach 10 Minuten des Beobachtens, kehrte unser Führer zurück zu unserer besorgten Crew und sagte mit einem frechen Grinsen: „Seid ihr bereit für ein bisschen Spaß?

“ Wir paddelten kräftig, um das Floß auf die richtige Bahn zu bringen, bevor wir in das Wildwassergemenge tauchten. Regentropfen schlugen auf das Boot und trommelten laut auf unsere Helme. Unser Führer musste schreien, um sich neben dem Getöse des Flusses und dem betäubenden Geräusch des starken Regens Gehör zu verschaffen. „Alle zusammen – vorwärts!“, rief er. Das Getöse wurde immer lauter, während sich aus dem Dunst vor uns riesige Wellen auftauchten. Mein Herz pochte wild und unsere Anspannung kam auf den Höhepunkt, als wir in das brodelnde Chaos der Stromschnelle unter uns abtauchten. Alle waren vollgepumpt mit Adrenalin. Unser Führer schrie wild „Kommt schon, Leute, schneller vorwärts! Noch schneller! Kommt schon, paddelt!“ Ein lauter Donnerschlag verschluckte seine nächste Anweisung und Blitze zuckten über den dunklen Himmel. Doch als er „Kommt schon, paddelt!“, schrie, drang die Dringlichkeit in seiner Stimme zu uns durch und niemand stellte die Ernsthaftigkeit der Situation in Frage.

Wir waren inmitten einer ziemlich großen Stromschnelle. Wellen schlugen über alle Seiten des Floßes. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, die wir in dieser heftigen Stromschnelle vergraben waren, bevor uns der Siang auf der anderen Seite wieder ausspuckte. Als wir aus dem letzten Wellenzug auftauchten, waren alle am jubeln und verteilten High Fives.

Der Sturm konnte nun unsere Stimmung nicht länger trüben und auf einem der Flöße begann das Team plötzlich zu singen, während unser Team auf dem Floß tanzte. Wir hatten uns für ein seltenes Abenteuer auf Indiens wildestem und entlegenstem Fluss verschrieben und die Erfahrung war jeden Cent wert. Bevor wir jedoch die Gelegenheit hatten uns zu erholen, kam schon die nächste Monster-Stromschnelle. Vor uns wurde das gurgelnde Knurren des Karko Killers beängstigend lauter. Der Gesang und der Tanz hörten plötzlich auf. Unsere vom Adrenalin beeinflusste Fröhlichkeit verwandelte sich in stählerne Entschlossenheit, das Floß nicht kentern zu lassen. Niemand wollte unter diesen Bedingungen schwimmen! Unser Führer bellte Anweisungen und wir gehorchten.

Nach fünf Tagen des gemeinsamen Paddelns waren wir ein eingespieltes Team geworden und befolgten seine Anweisungen im Einklang. Unser Führer wählte eine perfekte Linie, die uns durch die eingemachten Stellen der Stromschnelle führte. Wir rutschten an einem riesigen Wasserfall vorbei, wichen einem großen Loch aus und beherrschten den Wellenzug. Indiens wildester Fluss brachte alles auf, was er zu bieten hatte, doch unter der Führung unseres fähigen Kapitäns und seinem hochprofessionellen Team waren wir mehr als nur bereit für die Herausforderung.

Während der Tag voranschritt, entleerten sich die Wolken und die wässrige Sonne brach letztendlich durch. Alle jubelten. Am frühen Nachmittag zogen wir die Boote auf einen wunderschönen sandigen Strand, stellten die Zelte auf und breiteten unsere nasse Ausrüstung zum Trocknen aus. Die Köche hatten ein köstliches heißes Mittagessen parat und schon bald kehrten das Lachen und das Geplänkel zurück zu unserer abenteuerlustigen Gruppe aus Wildwasserliebhabern. Als wir uns an einem lodernden Feuer am Strand erholten, machte eine Flasche Rum die Runde und wir tranken einen Toast auf das erfolgreiche Überstehen eines weiteren aufregenden Tages voll nassem und wildem Abenteuer.

Während die Kajakfahrer sich angeregt über ihre turbulente Abfahrt durch die kräftigen Stromschnellen unterhielten, war ich überwältigt von der Schönheit der Wildnis, die unser Zeltlager umgab. Wir waren aus den steilen Ningguing und Marmong Schluchten in ein weites Tal getaucht, in dem der olivengrüne Siang sich zwischen dem dunkelgrünen Regenwald abhob. Schneebedeckte Gipfel des Himalayas und ein blassblauer Himmel – ein spektakulärer Ort für ein Zeltlager in der Wildnis am Fluss.

Als ich so am Strand lag und die Wärme des Feuers und die spätnachmittägliche Sonne genoss, bewunderte ich die blanken Felswände die vom Flussufer in einen undurchdringlich wirkenden Regenwald führten. Riesige Baumstümpfe waren auf mindestens 30 Metern über der Wasseroberfläche zwischen die Felsen gezwängt. Ehrfürchtig musste ich an immensen Wassermassen und Kräfte der Natur denken, die es bewältigt hatten, riesige Bäume dort hoch zu schaffen. Zwangsläufig musste ich wieder an die große Flut denken, von der uns unser Führer erzählt hatte.

Vor ein paar Jahren ist ein Damm gebrochen, der durch einen Erdrutsch entstanden war, und hatte eine riesige 52m hohe Flutwelle verursacht, die durch das Tal fegte, den Fluss auswusch, den Wald entwurzelte und alles zerstörte, was sich in ihren Weg stellte. Alle Brücken wurden weggespült und der Fluss flutete die Täler und Nebenflüsse in einem Umkreis von 12km! Mutter Natur hat hier ihre wildeste Seite gesagt und einen Inlands-Tsunami ausgelöst. Nach einem willkommenen Erholungstag, starteten wir den vorletzten Tag unserer Expedition. Bis dahin war der Fluss ruhiger geworden und es gab flache Stellen, wo wir uns zurücklehnen und die Landschaft bewundern konnten. Allerdings war der Siang noch nicht fertig mit uns. In Ponging lag ein letzter Test vor unserem Team. Die letzte heftige Stromschnelle des Trips. Nach unserem stürmischen Erlebnis ein paar Tage zuvor, fühlten wir uns wie abgehärtete Profis und unter dem blauen Himmel und dem strahlenden Sonnenschein freuten wir uns bereits darauf.

Widerwillig verabschiedeten wir uns nach 10 abenteuerreichen Tagen vom Siang. Auf der Fähre sitzend und über den trägen Brahmaputra nach Hause schippernd, schwelgten wir alle in Erinnerungen an das wilde Wasser und unsere erfolgreiche Abfahrt auf dem Siang. Ich fühlte mich sehr geehrt, Teil dieser außergewöhnlichen Expedition in die wenig besuchte Region Arunachals gewesen zu sein.

Zu meiner Überraschung, war der Großteil des Teams sich einig, dass der Tag des sintflutartigen Regens sogar eins der Highlights des Trips gewesen ist. Alle stimmten zu, dass das stürmische Wetter zur Herausforderung der Stromschnellen beitrug, unsere Aufregung gesteigert und unsere Erfahrung bereichert hatte.

Ich wandte mich mit einer letzten Frage an den Kapitän – „Alles was ich wissen will ist: Wo muss ich unterschreiben, um es nochmal zu machen?“


 

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Navigation

Gelangen Sie nach Tuting von überall in Indien, entweder mit dem Zug oder einem Inlandsflug vorbei an den verschneiten Gipfeln des Himalayas über Guwahati und Richtung Dibrugarh. Reisebüros arrangieren alle Genehmigungen und die Beförderung für den Boots- und Straßentransport für die drei Tage bis zum Ausgangspunkt in Tuting.

Unterkunft

Hotelunterbringung in Dibrugarh und Pasighat wird als Teil Ihres Siang-Pauschalangebots bereitgestellt. Während der Tour werden Teilnehmer Zweimannzelten untergebracht und bekommen Buffet Mahlzeiten. Während der Expedition bestehen die Toiletten aus umweltfreundlichen Sandgruben.

 

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