Die eingetrockneten

Farbpaletten der Postermaler

Gesellschaft

March 1, 2016

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Indien fur sie

März 2016



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Die eingetrockneten, Farbpaletten der Postermaler

Die eingetrockneten, Farbpaletten der Postermaler

„Die Kunst stirbt niemals aus!“ Diese Aussage trifft auf die indischen handgemalten Filmposter zu, die unter den Kunstliebhabern und -sammlern neuen Anklang gefunden haben. Und das, obwohl die Kunst praktisch tot ist.

Wer erinnert sich nicht an das Poster des ersten indischen Films, der für den Oscar in der fremdsprachigen Kategorie nominiert wurde – Mother India (1957)? Es zeigte die weibliche Hauptdarstellerin mit einem Pflug auf ihrem Rücken und einem gequälten Gesichtsausdruck. Das Poster wurde handgemalt, so wie andere Poster damals. „Es gibt eine Bedeutung hinter dem Mother India Poster”, sagt S. Rehman, einer der letzten noch praktizierenden Posterkünstler in Mumbai, dem Entstehungsort der Hindu Filmindustrie. Der Film zeigt die Stärke und Wertvorstellungen einer von Armut geplagten Frau, die unter schwierigsten Bedingungen ihre Söhne großzieht.

Von seinem kleinen Apartment aus, in einem der Slums hinter dem internationalen Flughafen in Mumbai, fährt Rehman mit bitterem Ton fort: „Die meisten Menschen können die Anstrengung auf ihrem Gesicht sehen, doch nicht jeder versteht die Last, die sie auf ihren Schultern trägt. ‚Warum gräbt sie das Land um anstelle des Ochsen?‘ fragen sich manche Leute.“ Und er zieht schnell einen Vergleich zu den heutigen digitalen Postern: „Es steckt keine Bedeutung mehr hinter den Postern von heute. Alle Poster zeigen nur die Gesichter der Schauspieler.“ Rehman, der im Alfred Theater an der Grant Road in der Stadt arbeitet, ist einer der wenigen Glücklichen, die diese Art der Kunst hier fortsetzen können, da der Besitzer selbst Künstler ist. Obwohl der Lohn begrenzt ist, ist Rehman zufrieden, dass er die alten Poster nachmachen kann, ob sie nun verkauft werden oder nicht.

Als er Kind war, nahm er eine Pinsel in die Hand und half seinem Vater S. Ramzan, der Poster für Filme wie Anmol Ghadi (1946), Aan (1952) und Do Bigha Zameen (1953) malte. Er verließ die Schule, um in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Interessanterweise hat er, bevor er seinen eigenen Weg fand, MF Hussain assistiert, bevor dieser einer der meist gefeierten, kontroversen Künstler der indischen Kunstszene wurde. Hussain, der sich das Malen selbst beigebracht hat, malte zu Beginn seiner Karriere Filmposter.

Während Rehman einen geeigneten Mentor und Räumlichkeiten im Alfred Theater, welches alte Filme wieder aufführt, fand, hatten andere nicht so viel Glück. Die indischen Straßen waren einst übersäht mit leuchtenden und dramatisch- en handgemalten Filmpostern, nun sind sie mit digitalen Drucken bedeckt. Beinahe 300 Künstler, die früher eng mit den Filmemachern zusam- menarbeiteten, verlieren sich nun in die Straßen von Mumbai und Chennai, den Städten, in denen diese Kunst, dank der aufstrebenden Hindu und Tamil Filmindustrie, einst blühte.

Der Trend der handgemalten Filmposter begann 1924 mit dem Film Kalyan Khajina, einem Film, der von Shivaji handelt, dem Eroberer Marathas im 17. Jahrhundert. Seitdem hat sich zwischen den indischen Kinos und den „Poster Boys“, wie sie oft genannt werden, eine Beziehung entwickelt, mit den 1960er und 1970er Jahren als Blütezeit. Allerdings begann die Kunst in den 1990er Jahren zu verschwinden, als die Computer die Pinsel überholten. Dadurch wurden viele Künstler dazu gezwungen, sich nach alternativen Möglichkeiten für die Beschaffung ihres Lebensunterhalts umzuschauen. Ashok Khusre zum Beispiel, der mit 16 Jahren, als Amitabh Bachchans Filme die Renner waren, anfing zu malen, arbeitet nun als Schuster.

Nichtsdestotrotz konnte ein gutes Poster während der Hochphase einen Gewinn von INR 25.000 (EUR 350) einbringen. „Der Teufel lag im Detail“, sagt Rehman, „Jeder Aspekt des Films wurde im Poster dargestellt. In dem Film Mughal-E-Azam (1963) wurde beispielsweise neben den Hauptdarstellern Anarkali, Salim und dem wütenden Gesicht Akbars, im Hintergrund auch die Kampfszene gemalt.“ Er erinnert sich an die goldenen Tage, als er mit Filmemachern wie V. Shantaram, Mehboob und Bimal Roy zusammenarbeitete, die ihn mit Respekt behandelten und die auch ihre Fans hatten und um Autogramme gebeten wurden.

Die Künstler malten die Protagonisten oder Szenen aus den Filmen auf große Werbetafeln oder DIN A2 große Leinwände. Sie benutzten dramatische Farben, um unterschiedliche Emotionen und Stimmungen auszudrücken. Rot stellte beispielsweise Wut dar und wurde im Übermaß für einen der beliebtesten Schauspieler des indischen Films genutzt, Amitabh Bachchan, um den „wütenden jungen Mann“ zu unterstreichen, den er in den Filmen darstellte. Während die Poster ausführlich die Handlung des Films wiederspiegelten, wurden die Gesichter der Protagonisten nur verzerrt und die Körper der Frauen kurvig und figurbetont gezeichnet, um die sexuellen Aspekte lebhaft zu unterstreichen.

Im Gegensatz zur Schnelligkeit der Computer benötigte man für ein handgefertigtes Poster vier bis fünf Tage. Doch der eigentliche Wert der handgemalten Poster wird vom Wahn der Kunstliebhaber und -sammler wiedergespiegelt. Sie jagen online und offline Verkäufen, Ausstellungen und Restaurationen hinterher, um die Poster ihrer Wahl in die Hände zu bekommen. „Handgemalte Poster sind wie hangeschriebene Liebesbriefe, geschrieben mit Zeit, Schweiß und Tränen und sie enthalten so viel rohe Emotionen und Energie, während die digitalen Poster leblos wie eine SMS auf einem Mobiltelefon sind“, sagt Hinesh Jethwani, der Gründer der in Mumbai stationierten Indian Hippy Organisation, die sich dafür einsetzt, die Kultur der handgemalten Poster wieder aufleben zu lassen, indem sie die lange verloren gegangen Künstler wieder zueinander führt.

Die wenig überraschende Aufmerksamkeit

„Amitabh Bachchan Filmposter, so wie Deewar (1975) und Don (1978), sind die begehrtesten bei den Käufern und Sammlern“, sagt Mohammad Sulemaan, der handgemalte Vintage Poster in den überfüllten Straßen von Daryaganj in Delhi verkauft. Er hat 5000 Poster von seinem Vater geerbt, der selbst ein großer Filmfan war. Diese Poster verkauft er nun auf dem lokalen wöchentlichen Sonntagsmarkt. Die Idee kam ihm, als er durch die schicken Gassen von Hauz Khas im Süden Delhis wanderte, wo er auf ein paar Geschäfte traf, die solche Vintage Poster zu unvorstellbar hohen Preisen verkauften. Das, was sie für INR 3000-5000 (EUR 40-70) verkaufen, verkauft Sulemaan für INR 300-500 (EUR 4-7).

Um die Kunst vor dem Aussterben zu bewahren und um die Kultur wiederzubeleben, haben nun viele Künstler begonnen, Poster nachzumalen oder spezielle Poster nach den Wünschen der Kunden anzufertigen. „In den letzten sieben Jahren, während deren wir im Geschäft waren, haben wir verschiedene Kunden gehabt – unter Anderem Hollywood Star Hugh Jackman, dessen X-Men Poster wir von Hand gefertigt haben und welches ihm von Karan Johar und Aishwarya Rai geschenkt wurde. Ebenso Amitabh Bachchans Portrait wurde live auf CNN gemalt. Es gab auch ein Hochzeitsposter für Saif und Kareen. Sogar der internationale Autor Shantaram hat unserem Laden gemeinsam mit seiner Frau (Prinzessin der Schweiz) einen Besuch abgestattet“, prahlt Jethwani. Unter diesen Nachbildungen und Anpassungen sagt Rehman etwas nostalgisch: „Es ist nicht mehr so wie in den alten Zeiten, in denen Filmemacher und Maler zusammensitzen würden, um einen Entwurf für das Poster zu erstellen. Das war damals ein anderes Level an Kreativität.“ Auch wenn die Künstler verschwunden sein mögen, ist die Kunst auf keinen Fall ausgestorben.

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